Da mein erster Bericht vom 1. März über unsere Anfangszeiten im Motorsport offensichtlich bei dem geneigten Leser gut angekommen ist (vielen Dank für die zahlreichen netten Rückmeldungen), möchte ich auch weiterhin auf der RGO Seite darüber berichten.
Teil 2: Die späten 70er Jahre
Unser bisheriges Einsatzfahrzeug, der weiße Fiat 850 mit dem metallicgrünen Rallyestreifen, wurde doch zusehends maroder. Außerdem sind 34 PS oft doch etwas wenig. Bei unseren Anreisen, die öfters über Autobahnen führten, kam es gelegentlich vor, dass wir einen gerade überholten LKW an der nächsten Steigung wieder passieren lassen mussten (ist kein Gag, war wirklich so). Nicht selten quittierten die Fahrer dies mit einem breiten Grinsen und den Daumen nach unten.
Wir legten uns jetzt einen Fiat 850 S in rot und mit sagenhaften 48 PS zu, bei so einem kleinen Auto machen zusätzliche 14 PS schon etwas aus. Wir erstanden das Auto in Solingen von Privat, es würde nicht richtig laufen, sagte man uns. Ich bemerkte sofort, dass die zweite Stufe des Registervergasers nicht öffnete, zuhause wurde der Gaszug strammer eingestellt und schon lief der kleine Fiat wieder richtig gut. Unsere damalige Vorliebe für italienische Autos hing mit dem geringen Kaufpreis für Gebrauchte zusammen. Man bekam sie drei- oder vierjährig schon richtig günstig, praktisch zum halben Neupreis, die Motoren hielten gut, man brachte die Fiat ein- oder sogar zweimal durch den TÜV, dann wars das und ab gings danach zum Schrotthändler. Karola nannte sich jetzt Witte und der kleine Fiat nahm den Namen seines Vorgängers an: er blieb der „Lütte“.
Wir wurden jetzt beide Mitglied im MSC Bergisch-Land Witzhelden e.V. im ADAC. Unser Clublokal war in den 70er Jahren das Haus Paffenlöh in dem gleichnamigen Ortsteil Burscheids. Dort war damals nie was los. Jahre später wurde die ehemalige Kneipe geschlossen, umgebaut und mit neuen Zielen über Burscheids Grenzen hinaus als das Partylokal „Steffi“ bekannt, sicher waren viele von euch in jungen Jahren schon einmal in diesen Lokalitäten.
Unser damaliger erster Vorsitzender hieß Elmar Beul, eine stattliche Erscheinung, man war nie im Zweifel, wer hier der Chef im Ring war. Da er dies auch den Erlaubnisbehörden gegenüber unmissverständlich kundtat, bekam unser Verein zunehmend Probleme mit der Genehmigung unserer Orientierungsfahrten. Der damalige maßgebliche Mann im Straßenverkehrsamt in Bergisch Gladbach war Herr Marx, er residierte „Im Rübezahlwald 7“, so heißt die Adresse des Kreishauses heute noch. Er hatte die Angewohnheit, die von ihm genehmigten Oris am Veranstaltungstag zu besuchen, um das Einhalten der genehmigten Streckenführung zu kontrollieren. Hintergrund war die Tatsache, dass viel zu viele Fahrten im Rheinisch Bergischen Kreis stattfanden, man konnte hier mehrmals im Monat eine Ori fahren. Alle Solinger und Wuppertaler Clubs fuhren seinerzeit hier (das waren damals viele, allein aus diesen beiden Städten kamen sicher 8 veranstaltende Clubs), sogar aus dem Ruhrgebiet fuhren mittels Überführungsetappe Veranstalter bis hierhin. Dauernd gab es Anliegerbeschwerden, wir durften damals einen 40er Schnitt fahren, das ist verdammt viel bei einer Ori, und das fast jede Woche. Dies wollte besagter Herr Marx zu verhindern versuchen, wer sich nicht benahm, flog raus.
Wir veranstalteten um Nikolaus – unsere Fahrt war immer die letzte im Jahr und hatte an die einhundert Starter. Bei unserer Ori im Jahre1976 durften wir mit Erlaubnis des Pächters auch das ehemalige Ziegeleigelände in Hilgen befahren, es befand sich hinter dem Platz, auf dem heute das überregional bekannte Oldtimertreffen stattfindet, wenn nicht gerade Corona angesagt ist. Reste dieser Ziegelei sind heute noch zu sehen, ich glaube, der Schornstein steht immer noch. Auf diesem Privatgelände traf während unserer Veranstaltung Fahrtleiter Elmar Beul auf Herrn Marx und empfing ihn mit den Worten: „Lieber Herr Marx, wenn dies mein Privatgelände wäre, würde ich Ihnen jetzt mit einer Flinte eine Ladung Schrot in den Arsch jagen!“. Herr Marx schaute sehr verkniffen, dass er hier in aller Öffentlichkeit so vorgeführt wurde. Ich meinerseits zweifelte keinen Moment daran, dass Elmar dies auch getan hätte!
Als Streckenkundiger unserer Nikolaus-Ori wurde ich von Elmar danach sofort losgeschickt, alle besetzten Kontrollen (damals gab es noch keine „Baumaffen“ als Kontrollen) auf den nicht befestigten und damit natürlich auch nicht genehmigten Wegen zu entfernen. Ich musste bis Kürten fahren! Die gefundenen SKs sollte ich an die jeweiligen Einfahrten dieser Straßen stellen, damit die Teilnehmer nicht hineinfahren konnten. Alles musste erledigt sein, bevor Herr Marx dort auftauchte. Nach Elmars despektierlichen Äußerungen wurde es in den folgenden Jahren natürlich sehr schwer, als Veranstalter noch einmal im Rheinisch-Bergischen-Kreis fahren zu dürfen, ich meinerseits hätte mich wohl auch diplomatischer ausgedrückt.
Etwas habe ich von Elmar aber gerne übernommen: er war der Erste, der die Ori- Fahrtunterlagen komplett auf einem großen DIN-A 3 Blatt, und das in Farbe, unterbrachte. Ich fand das damals so toll und vor allen Dingen so übersichtlich, dass ich meine eigenen Fahrtaufträge bis heute ebenfalls in DIN-A 3 Größe veröffentliche.
Elmar Beuls Aufgabenstellung war eine ganz eigene, ich erinnere mich: Wir starteten in Leichlingen, hatten mit Pfeil 1 und Pfeil 2 den Ort Metzholz über die L 294 erreicht, direkt danach begann Pfeil 3. Drei Zentimeter nördlich von Metzholz, dort wo das WEST-OM Siegerehrungslokal Haus Klippenberg zu finden ist, gab es die für die Rückfahrt angedachten Pfeile 26, 27 und 28, aber erst drei Stunden später. Die per Hand geschriebene Nummerierung war aber gar keine 26, sondern eine 2b. Dies fiel zwischen den Nummern 25, 27 und 28, die alle in einem Dorf untergebracht waren, kaum jemand auf und sie musste zwischen der 2 und der 3 gefahren werden. Nicht einmal zehn Prozent der Teilnehmer hatten das gesehen, ihnen fehlte schon die erste Kontrolle. Elmar fand das total geil (ich übrigens damals auch), dass er die Leute so reingelegt hatte! Unmut breitete sich natürlich aus, vor allen Dingen, wo man es schon während der Fahrt feststellte, dass man gelinkt wurde. Der zweitmeist gemachte Fehler war das Übersehen eines winzigen Häkchens an einem Pfeil, Elmar war einer der Ersten, der sowas machte. Auch dafür hatte man damals kein Verständnis, heutzutage ist dies Gang und Gäbe.
Einige Monate nach Karola und mir traten die Solinger Gebrüder Schorsch (gesprochen: Dschordsch) und Django (gesprochen: Jango), mit bürgerlichem Namen Hans-Georg und Klaus-Dieter, dem MSC Bergisch-Land bei. Hans-Georg Salewski sollte Jahre später mein Fahrer werden, als Karola Schwangerschaftsbedingt lange Jahre pausierte. Er wohnt jetzt in der tiefsten Eifel, wir pflegen aber immer noch unsere gemeinsamen Kontakte und rufen uns zumindest an unseren Geburtstagen an.
Beide Brüder erlernten zunächst das Beifahren und waren wirklich gut. Jango war begeisterter Kontrollpostensteher, bei einer unserer weiteren Oris, die im Sommer stattfanden, hatte er seinen Posten in einem Holzwerk bei Bechen. Zwischen den Holzstapeln sich auf einer Liege sonnend, fand man ihn erst, wenn man den richtigen Weg zwischen den Holzstapeln erwischte. Sehen konnte man ihn vorher nicht, auch ich als Eingeweihter fand ihn kaum. Ein anderes Mal stand er Kontrolle im Landwehrbusch bei Neschen, hier gab es auf ein paar hundert Quadratmetern mehrere unbefestigte Wege und Kontrollen. Wenn Teilnehmer, die zu Fuß und ohne Auto den Wald durchquerten, weil dort gerade so viel Gedränge herrschte, versteckte Jango sich hinter einem dicken Baum und wanderte mit, sodass sie ihn gar nicht bemerken konnten. Für ihn galt: ohne Auto nicht da gewesen, ohne Auto kein Stempel!
Bei dieser Fahrt hatte Elmar noch eine weitere obskure Idee: Auf einem ca. 300 Meter langen Parkstreifen neben der Landstraße, der an Wochenenden stark von Wanderern frequentiert wurde, ließ er zwei besetzte Kontrollen in fünf Meter Abstand hintereinander aufstellen. Jede mit ihrem Kontrollschild, jede mit eigenem Stempel. Die Kontrollposten waren natürlich Schorch & Jango, die mit einigen Freunden in, auf und neben den Autos saßen und gar nicht als zwei SK’s wahrgenommen und gestempelt wurden. Für reichlich Zoff vor der Siegerehrung war bei unseren Oris also immer gesorgt!
Andere Veranstalter waren übrigens ähnlich erfinderisch beim Tarnen von besetzten Kontrollen wie wir. Ich erinnere mich gerne an Heiligenhaus. Seinerzeit hatten die mehr als siebzig, achtzig besetzte Kontrollen, was für ein enormer logistischer Aufwand! Ich erinnere mich z.B. an einen Waldparkplatz bei Forsbach. Frühjahr, noch richtig nass und nebelig, wir mussten ca. 200 Meter hineinfahren, wenden und wieder zurück. Keine Kontrolle, kein Auto mit K-Schild gefunden, also dasselbe noch mal. Irgendwo am Rand, unter einem dicken Baum, standen lediglich zwei Männer, die damals schon älter waren als ich es jetzt bin, beide in Lodenmänteln und mit Hut. Bei der ersten Durchfahrt haben wir uns nichts gedacht. Jetzt kam mir erst der Gedanke: warum in aller Welt stehen die hier im Regen? Gerade als ich sie nach einer Kontrolle fragen wollte, sehe ich am Baum neben ihnen ein K-Schild. Hinfahren, anhalten, Stempel aus der Manteltasche ziehen, stempeln, weiterfahren, hat keine 30 Sekunden gedauert, die anderen Teilnehmer haben nichts bemerkt! Diese Kontrolle hatte lange nicht jeder gefunden!
Die Härte war aber bei einer Wuppertaler Veranstaltung in der Nähe von Dabringhausen. Wir befuhren im Herbst Ende der 70er Jahre den dortigen Schwimmbadparkplatz, ein Schotterplatz mit zwei Fahrspuren und etwa 200 Meter lang, nur eine gemeinsame Ein- und Ausfahrt. Vorne stand eine ZK, die wir zunächst stempeln mussten. Der Strich auf dem Platz war 4 mm lang, also mussten wir anschließend die komplette Tiefe von 200 Metern fahren (weil: Maßstab 1:50 000). Es war aber keine weitere Kontrolle zu sehen, nur ganz hinten stand eine Öltonne. Im zweiten Anlauf ließ ich Karola um die Tonne fahren. Hinter der Tonne, an diese angelehnt, stand ein K-Schild. Als Karola die Tonne umkreiste und neben diesem Schild anhielt, kam jemand aus diesem Fass hoch, gab mir blitzschnell einen Stempel in die Bordkarte und verschwand genauso schnell wieder in der großen Tonne, wo er sich wieder auf einem Hocker niederließ. Jedem, der damals dort gefahren ist, bleibt „Kalle in der Tonne“, mit bürgerlichem Namen Karl Heinz Küpper (vielen Dank für den Tipp, Günter Bangert), auch heute noch ein Begriff! Ich habe nie mehr in den ganzen Orijahren eine so gut getarnte besetzte Kontrolle gesehen.
Bis Ende 1978 fuhren wir noch unseren Fiat 850 S, beinahe wäre er uns vorher schon in Flammen aufgegangen. Karola war am besagten Tag bei unserem Sponsor, um neue Winterreifen abzuholen. Wir brauchten diese mehr für Schlamm als für Schnee, den gab es auch schon zu früheren Zeiten selten in unseren Breitengraden. Eurasia hatte ganz tolle Winterreifen aus Schweden, sie hießen Gislaved Frost. Ich hatte den Eindruck, dass Eurasia Export/Import ihrem Namen gerecht werden wollten und diese Pneus exklusiv für unseres Gebiet anboten, ich habe diese Reifen sonst nie wiedergesehen. Halb Solingen fuhren sie aber damals.
Ich saß zu Hause in meiner Werkstatt, Karola kam gerade vom Reifenkauf zurück. Ich wunderte mich schon, dass sie sich bei jedem Rad bückte und sich die Reifen anschaute. Sie sagte mir dann, irgendwas würde nach Gummi stinken. Im selben Moment sahen wir weißen Qualm aus dem Kofferraum quellen, ich dachte schon an einen neuen Papst (nein, Scherz).
Der kleine Fiat hat den Kofferraum vorne, an der Frontwand senkrecht stehend ist der Ersatzreifen untergebracht. Der alte wurde beim Reifenhändler gegen den besten der abmontierten Reifen getauscht. Genau dort, wo der Reifen stand, hatte ich aber auch die Kabel für die Marshall Zusatzscheinwerfer verlegt, allerdings OHNE Gummitüllen durchs Blech, weil ich keine dahatte. Das wollte ich eigentlich schleunigst nachholen. Durch die Fahrerei seit einigen Wochen wahrscheinlich schon angescheuert, hatte das Tauschen des Ersatzrades die Kabelisolierung jetzt endgültig durchgeschabt und mit dem Frontblech vereinigt, sprich: massiver Kurzschluss. Die Anschlusskabel hatte ich seinerzeit direkt von der Batterie und ohne Sicherung zu den Lampen verlegt. Sollte man nie machen! Schnell den Kofferraum geöffnet sah ich, dass eine Gummimatte und der volle Ersatzkanister schon brannten. Den Kanister mit einem Finger an der Einfüllöse gepackt und im hohen Bogen fortgeschmissen, war eins. Die brennenden Funken flogen schon hinterher! Zum Glück ging alles sofort aus, auch der Kanister brannte nicht mehr. Gerade noch mal Glück gehabt, wir durften unseren „Lütten“ noch einige Zeit fahren.
Ende 1977 haben wir ihn dann aber auch verschrotten müssen und gegen einen Simca Rallye II ersetzt. Den ersten Einsatz mit dem neuen Fahrzeug hatten wir am 11. März 1978 in Heiligenhaus.
Anfang 1978 traten wir in den AC Solingen e.V. im DMV ein. Mit uns auch Georg Salewski, der schon Angst hatte, dass er nicht mit aufgenommen wurde, weil im AC fast die gesamte Oribeifahrer Elite Solingens vereint war. Der Club bestand nur aus Aktiven, das Gründungsjahr war 1976, die Gründungsmitglieder waren tatsächlich die wohl besten Beifahrer Solingens. Manchmal konnte der ACS, wie das Vereinskürzel hieß, drei! Mannschaften nur aus eigenen Leuten bilden und diese dann auch noch gewinnen.
Hans Georg wurde aber auch ohne Gegenstimmen aufgenommen.
So, das wars für heute, ich arbeite schon am dritten Teil.
Servus
Rainer Witte