Boucles à Bastogne: 8. Platz für Rolf und Fabian

Rolf (Droste) und Fabian (Mohr) haben es wieder getan. Der „belgische Virus“ hat uns im letzten Jahr bereits tief infiziert. Nachdem wir zwei Schnupper-Veranstaltungen im zweiten Halbjahr 2023 (Rallye Betrix und East-Belgian) absolviert haben, galt es die Hausaufgaben ordentlich zu erledigen. Die Verabredung zur Teilnahme an der Boucles à Bastogne am ersten Februarwochenende stand bereits lange vorher fest.
Bereits Mitte 2023 entschlossen wir uns gemeinsam mit der belgischen Mannschaft rund um Michael Bartholemy zur Anmeldung. Die sympathische Truppe bestehend aus bis zu 6 Fahrzeugbesatzungen ist uns eine großartige Hilfe vor und während der Teilnahme im französischsprachigen Gebiet.
Die gemeinsame Unterkunft in einem nahegelegenen Ferienhaus war bereits im Frühjahr 2023 fix für uns gebucht.

Bastogne, zu Deutsch Bastnach ist eine belgische Stadt in den Ardennen kurz hinter der Grenze zu Luxemburg. Bekannt wurde der Ort und die Gegend durch die Ardennenoffensive am Ende des zweiten Weltkrieges. Ein Kriegsmuseum sowie diverse Kriegsgeräte in und um die Stadt herum erinnern an die Vergangenheit. Im Verlauf des Wochenendes begegnen wir mehrfach einheimischen Gruppen, die anscheinend wie wir Gefallen daran finden, sich mit altem Gerät im Unterholz zu vergnügen. Mit dem feinen Unterschied, dass deren Willys Jeep und Mannschaftswagen mit Allradantrieb, grobstolligen Reifen und erhöhter Beinfreiheit antreten dürfen. Wir dagegen haben auf dem M3 Typ E30 Baujahr 1989 nur gute Winter-Pneus aufgepflanzt. Die freundlich-gestimmte Sperre von 30% an der Hinterachse hat schon gut geholfen, wenn auch in bestimmten Situationen etwas mehr wünschenswert gewesen wäre. Aber wir wollen ja nicht jammern.

Aber nochmal kurz zurück vor den Anfang. Anfang November. Das Nennungsfenster ist geöffnet. Schnelle Reaktion und Handlung ist gefordert. Wir haben nicht nur durch die Erzählungen des Teams aus vergangenen Jahren gehörigen Respekt. Anfang Februar in und mitten durch die belgischen Wälder. Wir sind ja wirklich keine Jammerlappen. Aber der erste Treffer auf den einschlägigen Video-Portalen reicht völlig aus um auch dem Außensteher die Situation eindringlich zu verklickern.
Kalt, nass, frostig, matschig, durch den Wald. Wenn es dumm läuft auch noch alles auf einmal. Daher die Überlegung unsererseits in der Wertung „Classic 50“ anstelle des 65er Schnitts anzutreten. Aber hier ist kein M3 zugelassen. Warum auch immer. Vielleicht ein Zeichen von oben? Zweite Überlegung, ob wir nur am ersten Tag in der separaten Wertung starten und somit den voraussichtlich noch rutschigeren Wald-Abschnitten am Sonntag aus dem Weg gehen sollen. Neeee, ist ja auch nix. Wenn schon, denn schon. Falls es uns zu heftig wird können wir zur Abwechslung auch mal das mittlere Fahrpedal drücken. Also steht die Anmeldung fest. Classic 65. Bedeutet einen einheitlichen Schnitt von 65 km/h über die gesamte Länge jeder Wertungsprüfung. Gemessen wird wie üblich mit Tripy-GPS-Transponder, circa 1-mal pro Kilometer Prüfungslänge.
Apropos Prüfungen. Auch belgisch-üblich. Die vorab-Besichtigung ist unter Androhung von empfindlichen Strafpunkten (ja, es wurden schon einige Experten durch vom Veranstalter aufgehängte Wildkameras erwischt) untersagt. Dafür steht ein Zeitfenster am Freitag vor der Rallye zur Verfügung. Am Montag zuvor gibt es die on-board-Videos einer jeden Wertungsprüfung zur Ansicht. Insgesamt warten 5 verschiedene Prüfungen am Samstag und nochmal 5 weitere am Sonntag auf die Teilnehmer. Am Samstag werden die Prüfungen sogar zweimal befahren. Prüfungslängen zwischen knapp 10 und über 25 Kilometer mit einem gefühlten Asphalt-Anteil von unter 10% ergeben schon die erste Schwierigkeit. In manchen Bereichen (zumeist Ortschaften) baut der Veranstalter sogenannte Slow-Zones ein. Hier ist auf einer Länge von 200 bis 300 Metern die Geschwindigkeit auf unter 36 km/h zu reduzieren. Der Schnitt muss anschließend natürlich wieder aufgeholt werden. Sonst wäre es ja auch langweilig…Die Videos sind eine gute Vorbereitung. Ein allgemeines Rezept für den Erfolg gibt es hier sicherlich nicht. Der Eine schaut sich das als abendliche Alternative an, der Andere macht sich detaillierte Notizen und Aufschriebe zum Streckenverlauf. Alles Geschmackssache!

Gestartet wird in vielen Wertungsklassen: Legend, Youngtimer und Challenger meinen es mal richtig ernst. Vollgas bis zum Ziel. Insgesamt zählen wir hier 107 gemeldete Autos aus ganz Europa. In reichlicher Überzahl die belgische Landesflagge auf Ford Escort MK2. Rolf nennt die Apparate auch gerne Flugzeuge auf Rädern. Stimmt. Der erste YouTube-Treffer oder noch besser vor-Ort-Zuschauer wird es jedem in unvergesslicher Art und Weise bestätigen. In den Wertungen Classic-50 und 65 trauen sich über 121 Teams. Die Classic-65 ist die stärkste Gruppe mit 84 Startern.
Wie wir uns sagen lassen, greift hier die absolute Spitze des einheimischen Rallyesports in die Lenkräder. In Summe treffen wir also am Wochenende auf fast 230 Rallyegeräte. Deutsche Kennzeichen sind hier die absolute Ausnahme. Vielleicht stand auch im Reglement irgendwas dazu. Anders können wir es uns jedenfalls nicht erklären, dass nur Rolf seine deutsche Fahne in den Ergebnissen behalten durfte.
Im Angebot enthalten ein großzügiger Servicepark im nahegelegenen Industriegebiet. Röhrende Motoren und hektisches Treiben stören hier am Wochenende sowieso niemanden. Eigentlich gut gelöst. Die Service-Zone wird über die beiden Tage mehrfach angefahren.
Die Wertungsprüfungen sind im engen Umkreis um Bastogne gesteckt. Trotzdem spulen wir am Wochenende über 560 Gesamtkilometer ab. Davon 180 in Wertung.

Wir finden uns am Donnerstagnachmittag in besagtem Ferien-Domizil ein. Ein bisschen Jugendherbergs-Charakter kann man der Atmosphäre nicht absprechen. Aber wir wissen, dass wir keinen 5-Sterne-Wellness-Urlaub gebucht haben. Für das leibliche Wohl ist wie immer bestens vorgesorgt. Wir haben nicht nur ein professionelles Service-Team sondern auch einen eigenen Verpflegungs-Manager. Kalle ist die gute Seele der Truppe. Und ohne Mampf kein Kampf. Auch wenn wir uns am ersten Abend alle eng um den Holz-Kamin scharren (der Besitzer hatte vergessen die Heizung rechtzeitig anzuschalten).
Freitag früh vor 8 Uhr steht als Erstes die Fahrzeugabnahme im dafür vorgesehenen Zeitfenster an. Sprachbarrieren lösen wir souverän mit Hand und Fuß. Mittags geht es zur Streckenerkundung. Allerdings sind nur die Samstags-Prüfungen freigegeben. Das Wetter stimmt uns zuversichtlich. Zumindest ist es trocken und mit knapp plus 10 Grad frei von Frost und Schnee. Noch! Ab 19 Uhr gilt es die obligatorische Parade im Zentrum von Bastogne zu begleiten. Die Teilnehmer werden gruppiert und von der Polizei geführt entlang der gesperrten Hauptstraße aufgestellt. Um die auch in Belgien stattfindenden Proteste der Landwirte zu berücksichtigen und wohl auch um möglichen Unterbrechungen während der Veranstaltung selbst vorzubeugen wurde jede Gruppe durch einen Traktor begleitet. Eine schöne Geste! Während dieser Parade platzt der Ort aus allen Nähten. Das Spektakel zieht tausende Zuschauer an. Rallye zum Anfassen. Bis 21 Uhr gibt es das gemeinsame Abendessen bis die Parade binnen kürzester Zeit (und auch wieder unter Androhung von Strafpunkten) pünktlich aufgelöst wird.

Es gilt früh ins Bettchen zu kriechen. Also in unserem Fall klettern. Unsere Betten sind aufgebockt. Wie viele Unfälle gab es wohl hier schon bei nächtlichen Versuchen des Abstiegs? Alles halb so wild. Wir haben gut geschlafen und freuen uns auf den Start.

Der Wecker geht wieder um 6. Das Frühstück lässt keine Wünsche übrig. Kalle, du bist großartig. Danke! Mittlerweile ist es in der Bude etwas wärmer geworden. Oder haben wir uns einfach nur dran gewöhnt. Abfahrt um kurz nach 7. Wir haben Startnummer 233. Gestartet wird nahe des Service-Parks ab 8 Uhr. Anschließend gibt es eine publikumswirksame Überfahrt des Podiums im Zentrum. Die erste Wertungsprüfung liegt etwas außerhalb. Das gesamte Feld wartet hier bereits 30 Minuten. Das gibt wenig Hoffnung für den Zeitplan des restlichen Tages. Ohnehin sind die letzten beiden Prüfungen nach 18 Uhr und damit in der Dunkelheit eingeplant. Spannend.

Helm auf, und ab geht die Post. Kurzes Geschlängel durch einen Ort. Links 1 eng zurück. Hinter dem Strohballen. Zuschauer rechts. Die erste Slow-Zone voraus. Huch, da steht ja noch ein zweiter Strohballen im Windschatten des Ersten. Diesmal klappte sich nur der Spiegel ein, und nicht das Blech. Im Anschluss der Slow-Zone geht es direkt hakelig weiter. Der zeitliche Rückstand theoretisch und praktisch ist erheblich und schmeißt kräftig Salz in die Suppe. Unser gemeinsam erarbeitete Aufschrieb passt ganz gut. Die Lese-Geschwindigkeit könnte besser sein. Das Drehmoment aus manchen Ecken ebenso. Läuft aber ganz gut, wenn auch das Bauchgefühl Raum zur Optimierung zulässt.
Die Strecken sind schon richtig hart. Die „Schnellen“ und die „Classic“ Wertungen fahren versetzt zueinander. Wir sind also mit die ersten Autos auf diesen ersten Prüfungen. Am Nachmittag fahren wir dann bereits durchgewühlten Boden. Vorfreude pur. Im Vergleich zur letzten Veranstaltung hat Rolf nicht nur die Motor- und Getriebelager erneuert, sondern auch in die Beleuchtung investiert. Quatsch. Erneuert würde ja bedeuten, es wären noch welche vorhanden gewesen. Also er hat neue Lager eingebaut. Die alten hatten sich selbst demontiert und liegen jetzt irgendwo im belgischen Wald. Wir poltern weiter über die Prüfungen. Schlammig, holprige Ecken kosten Nerven und Zeit. Macht aber reichlich Spaß. Beim Anblick der schnellen Ergebnisse können wir zufrieden sein, haben aber auch allerhöchsten Respekt vor den Zeiten der Spitzengruppe. Wahnsinn. Wir können die GPS-Messpunkte zu diesem Zeitpunkt nur erahnen. Also an den fiesesten Ecken. Da fährt die Spitze im wenige Sekunden-Bereich. Spektakulär, auch ohne dass wir die anderen gesehen haben.

Der erste Service steht an. Der Zeitplan ist eng, braucht aber keine Raserei. 20 Minuten Zeit. Das Auto läuft einwandfrei. Aber ein weißer M3 (bis auf den vorgeschriebenen Käfig serienmäßig) ist die absolute Ausnahme weit und breit. Ja gut, weiß ist nicht mehr so viel. Vielmehr erinnert der Anblick an einen Cappuccino. Brauner Körper und weißer Hut. Die Service-Truppe kümmert sich professionell um Autos und Besatzung. Scheibe putzen und Banane plus Wasser reichen bei uns.

Es geht wieder raus. Zeitkontrolle und weiter. Die Überfahrt des Podiums sollen wir aufgrund zu wenig Bodenfreiheit vermeiden und nehmen stattdessen die Standspur nebendran. Die beiden letzten Prüfungen des ersten Umlaufs am Samstag stehen an. Genau diese fahren wir später definitiv im Dunkeln. Hier waren die Schnellen schon. Schaut gut aus. Aber wir fahren unseren Stil und sind zufrieden. Service Nummer 2. Alles bestens, bevor es in den zweiten Umlauf derselben Prüfungen geht. Holprige Strecken wechseln sich mit weniger holprigen ab. Ach ja. Es nieselt übrigens schon seit morgens. Immerhin kein Schnee, aber trotzdem kein Grund zum Jubeln. Bevor es in die Dunkelheit geht gibt es nochmal einen geplanten Stopp in Service-Park. Stirnlampe raus- und Schutzkappen der Scheinwerfer wegkramen. Kurz vor der ZK erreicht uns die Kurznachricht des Veranstalters, dass die Länge der bevorstehenden Prüfung um mehr als 2 Kilometer verkürzt wird. Alles klar. Der extrem rutschige Teil entlang des Waldrandes bleibt uns erspart. Bei der Besichtigung meinte Rolf schon: Hier fahren die alle über die Wiese. Da wird es nochmal schlammiger als ohnehin. Eng, Nass, Rutschig! Schreib das mal dazu. In besagter Prüfung laufen wir auf die vor uns gestarteten im Mini auf. Fair Platz gemacht, rauschen die nach dem Ziel an uns vorbei. Die haben die Kürzung anscheinend nicht mitbekommen. Rolf fragt vorsichtig nach: Biste dir sicher? Ganz sicher? Wirklich? Also ganz wirklich? Jau, Rolf. Da stand ein rotes Ziel-Schild auf der Strecke! Sicher? Sicher! Wirklich? Bis zum Ergebnis wenige Minuten später bleibt eine gewisse Unsicherheit auf der einen Seite des Fahrgastraumes. Dann aber Erleichterung. Kurze Zeit später kommt der Mini-Pilot und fragt, was los war. Die Verwunderung war groß und der Mini-Beifahrer nach unserer Erläuterung ziemlich klein mit Hut!

Die letzte Prüfung am Tag steht an. Es ist stockdunkel und gegen 19:30 Uhr für uns. Es geht los. 50 rechts über Brücke, sofort dahinter links und kurvig bergauf. Auf Sicht bis Waldanfang. Haha. Auf Sicht! Bei Dunkelheit. Sehr lustig. Nie wieder, Herr Mohr. Wir laufen erneut auf die Nummer vor uns auf. Der Mini war es diesmal nicht. Leider auch nicht so kooperativ und mit gesundem Verstand ausgerüstet wie zuvor. Kreuzung rechts auf Hauptstraße wird breit. Die Lücke ist innen und der Rückstand auf die Idealzeit schon erheblich. Anscheinend darf auf belgischen Rallyes nur links überholt werden. Anders können wir uns den spontanen und nicht angedeuteten Spurwechsel des Kollegen nicht erklären. Auch ein Hinweis von Rolf aus früheren Tagen: Ein Kotflügel ist auch nur ein Verschleißteil. Also knapp war das allemal, aber ohne Erinnerungsstück am Blech. Was in dem Moment lauter war (Hupe oder Rolf) ist nicht sicher überliefert!

Ankunft im Tagesziel.


Alles heile, auch bei den anderen. Aber einer fehlt. Dirk und sein Ascona A 1900. Kurze Zeit später rollt auch er unter das Zelt. Erst auf den dritten Blick fällt auf, dass die Zusatzscheinwerfer und die Chromleisten etwas verbeult sind. Sie haben unfreiwillig eine kleine Weihnachtsbaum-Schonung besucht. Ein paar Mitbringsel in Form von Ästen und Nadeln im und am Motorraum versprühen einen gewissen Geruch von Finnischer Sauna im Service-Zelt. Dennoch allseits zufriedene Stimmung. Wir auf Gesamt-Platz 13. Bartholemy auf 3. Alain und Volker auch unter den Top-10. Super! Den Sieg in der Wertung Classic 50 mit nur dem Start am Samstag konnten sich Felix und Roberto sichern. Gratulation!

Auf zum Domizil und noch ein gemeinsames, wenn auch spätes Abendessen gegen 22 Uhr. Wir schauen uns noch ein paar Minuten der Videos von den morgigen Prüfungen an. Wir geben recht schnell auf. Eine Mischung aus Müdigkeit und blankem Entsetzen über die Beschaffenheiten der Prüfungen macht sich breit. Da geht es wirklich nur durch den Wald. Ab ins Bett.

Sonntag, 6 Uhr. Abstieg über die Leiter und zum Frühstück.

Gestartet wird nach dem Tagesergebnis von Samstag und wieder im Minutenabstand ab 8 Uhr. Das Bordbuch vom Veranstalter gibt es erst 30 Minuten vor der individuellen Startzeit. Heißt es. Die Strecken kennen wir nur von den vorab-Videos. Im Service-Park ist wie immer alles picobello. Die Autos sehen aus wie am ersten Tag. Nix mehr Cappuccino. Noch ein kurzer Plausch mit dem Team und auf geht’s zur Zeitkontrolle um das Bordbuch in Empfang zu nehmen. Dort heißt es gemütlich, dass dieses nun doch erst zur tatsächlichen Startzeit ausgegeben wird. Also 30 Minuten extra warten in der Dämmerung. In der Nacht wurden im Tagesergebnis noch ein paar Strafpunkte bei anderen Teams umhergeschoben. Wir starten an Position 15 in den weiterhin nassen Sonntag.

Die Anfahrt zur ersten Prüfung des Tages ist recht nahe gelegen. Der Start erfolgt bereits auf groben Schotter. Vorfreude schaut anders aus. Wir sind gespannt und gut vorbereitet. 3-2-1-los. Rumpel-rumpel. Wald links bis 200 Kreuzung links. Rumpel-rumpel. Über 12 Kilometer. Eigentlich flüssig zu fahren, aber bilderbuchmäßig schlecht-rutschige Strecken. Es tut Schläge im Auto, dass es einem leid tut.

Die erste Slow-Zone wartet nach knapp 3,5 km. Am Ende wieder Druck auf’s Fahrpedal. Eine kurze Irritation: Gabelung vor Leitplanke rechts, anschließend Kreuzung geradeaus bei Bushäuschen gegenüber. Ähm. Halt. Gabelung rechts, Rolf. Auf einem Streckenabschnitt ist das Geholpere gar derart wild, wie ich es bislang nicht erlebt habe. Ich konnte zeitweise meine eigenen Notizen und das Bordbuch nicht mehr ablesen. Nicht vor Übelkeit sondern nur des Holperns wegen. Eine 3 oder eine 8, keine Ahnung! Ahh, das steht was von sehr schlechte Strecke! Das hätte ich Rolf jetzt auch nicht mehr erzählen müssen. Wir sind mittendrin statt nur dabei! Keine Chance. Wir verlieren Sekunden um Sekunden. Einfach brutal. 250 T-rechts am Zaun. Rolf fragt vorsichtig nach. Wirklich rechts. Ja, mach mal. Geht nicht. Ist in Wahrheit ein T links. Ach echt! Eine rechts-links-Schwäche möge man meinen. Nein. Einfach dem Umstand geschuldet, die Strecken-Videos weit nach Mitternacht anzusehen und sich anhand derer die wichtigsten Notizen machen zu wollen. Im Ziel. Platz 25. Keine Ahnung, wie das andere machen. Körper, Geist und Material sind geschunden, obwohl es nicht mal 10 Uhr ist.

Weiter geht es. Zur nächsten Prüfung streckt sich die Anfahrt ungewöhnlich lange. 20 Kilometer Autobahn Richtung Südwesten und dann noch lange durch, was auch sonst, bewaldetes Gebiet. Es soll für heute genug asphaltierter Untergrund gewesen sein. Vor der RT Nummer 12 steht das gesamte Feld ungewöhnlich lange an. Fast 45 Minuten vergehen, eher der erste in die längste Prüfung des gesamten Wochenendes gestartet wird. Über 25 Kilometer, die auf den Videos schon anstrengend aussahen. Gleich zu Beginn eine circa 3 Kilometer lange Schleife mit hohem Publikumsandrang und TV-Begleitung. Der 65er Schnitt ist eingestellt. Los geht’s. Rutschige Nebenwege folgen auf kurze Sprints über Asphalt, um gleich danach wieder feucht-fies zu werden. T rechts auf Asphalt. Oder sowas ähnliches. 600 Meter rechts ab auf Schotter. Was denn sonst! Auweia. Der gelbe Escort #224 von Volker und Yves (gestern Abend auf Platz 10) steht rechts am Straßenrand. Das Ersatzrad wird soeben ausgeladen. Einen Platten handelt man sich hier wirklich sehr schnell ein. Die erste Slow-Zone nach 10 km mitten auf dem Feld. Kreuzung rechts, Teilnehmer von vorne. Ja, das ist so gewollt. Wir sehen uns in 2 km gleich nochmal aus dieser Richtung. 200 Meter, 20 Sekunden. Und der Schnitt fliegt davon. Wenig später an derselben Stelle aus der Gegenrichtung kommend gilt die Slow-Zone erneut. Und wieder stehen am Ende ausreichend negativ-Sekunden auf der Anzeige. 800 Meter, dann rechts ab. In den Wald. Extrem rutschig und eng. Bäume überall. Horizontal und vertikal, aber immer direkt neben der Spur. Wir fahren auf Nummer sicher, wie immer. Man könnte auch sagen: Sportlich defensiv! Kilometer 15. 300 Meter Slow-Zone mitten im Wald. Okay, Bambi will am Sonntag auch mal seine Ruhe. Die Sekunden fließen dahin. Gleich im Anschluss eine richtige fiese Ecke. Spitz links zurück. Aber bergauf und auf extrem losen und groben Schotter. Wie wir später erfahren hatten einige Teilnehmer tatsächlich Probleme hier weiterzukommen und mussten einen zweiten Anlauf nehmen. Rolf sagte im Ziel, dass wir alleine in dieser Ecke über 10 Sekunden zusätzliche Rückstand gefangen hätten. Die Auswertung im Ziel gibt Gewissheit, aber auch Zufriedenheit. Platz 13 in der Prüfung. Es lief gut für uns!

Auf zur nächsten – ca. 3 Kilometer vor dem Ziel eine 300 m Slow-Zone durch den Ort. Rechts-links-rechts und bergauf raus aus dem Ort. Und direkt wieder auf einen ausgefahrenen Nebenweg. Sehr rutschig und eng. Ein einziges Geschlängel abwechselnd von Bäumen oder Weidezäunen flankiert. Den Rückstand fahren wir nicht mehr zu. An einigen Ecken wird dieser noch größer. Keine Chance. Kreuzung rechts auf Kuppe. Rolf schimpft: Was ist jetzt?! Weiter, weiter! Galt aber nicht mir, sondern dem Auto. Es geht nicht mehr wie gewohnt vorwärts. Irgendwas hängt oder hält uns fest. Gaspedal, Motor, Bremse. Das fachmännische Rütteln und Ziehen und treten an allen Hebeln und Pedalen scheint etwas gebracht zu haben. Die letzten Meter zum Ziel sind übersichtlich. Danach erstmal kurz ranfahren und nachsehen. Nix zu erkennen. Wir haben jetzt 30 Minuten Service Pause in Bastogne. Auch da ist nichts zu finden. Der BMW rollt auch wieder wie gewohnt. Es gibt warme Tomatensuppe im Zelt. Den selbstgebackenen Kuchen und die wirklich gutaussehenden und riechenden Klöße lassen wir zur Vorbeugung des bösen Mittags-Tiefs schweren Herzens links liegen. Wunderbar gekocht und wohltuend. Service hoch 3.

Auf zur vorletzten Prüfung Nummer 14, alias Power-Stage. Bedeutet doppelte Strafpunkte für alle. Das wird auf jeden Fall nochmal richtig spannend und anstrengend. Das Video zur WP 14 hatten wir gestern Abend noch angefangen zu schauen. An den vernachlässigbar geringen Asphaltanteil und die matschigen Nebenwege durch Forst und Feld haben wir uns ja schon gewöhnt.

Aber es ist immer wieder auf ein Neues überraschend. Wahnsinnig hart und eng und rutschig. Noch vor dem Start in die Prüfung hat der Veranstalter per Kurznachricht die Zwischenzeitmessung(en) zwischen Kilometer 6 und 7 aufgrund schlechter Streckenverhältnisse annulliert. Nachdem wir den Abschnitt passiert haben wissen wir auch warum. Und haben die Handschrift von belgischen Rallyes nochmals besser verstanden. In diesem Bereich wären wir wohl nicht einmal in bester Wander-Ausrüstung zu Fuß unterwegs gewesen. Auf vielleicht 300-400 Metern wirklich extrem. Naja, immerhin gestattet der Veranstalter den Teams auf den folgenden paar hundert Metern den zeitlichen Rückstand wieder einzufahren, oder es zumindest zu versuchen. Kurz dahinter folgt ein kurzer Ausflug auf eine breitere Hauptstraße. Damit kein Geschwindigkeitsrausch bei den schnellen Klassen und keine Ermüdungserscheinungen bei den Classic eintritt, wird der Abschnitt durch eine mit Strohballen besetzte Schikane unterbrochen. Dahinter geht es direkt wieder in den Matsch. Der bleibt uns bis zum Ziel auch in hässlichster Qualität erhalten. 31 Strafsekunden ergeben ausnahmsweise 62 Strafpunkte. Platz 20.
Der noch zuvor einen Platz vor uns liegende Sohn des Service-Teams konnte die Chance nicht so gut nutzen. Nur durch diese Power-Stage konnten wir uns um 2 Positionen auf Gesamtplatz 9 verbessern. Spitze. Ganz vorne tobt ein Gerangel im wenige Sekunden Bereich. Ein absoluter Krimi vor der letzten Prüfung des Tages und der gesamten Rallye. Noch ein allerletztes Mal über 11 Kilometer. Hinter dem Wald rechts 3 Achtung rutschig. Sehr rutschig! 500 Kreuzung geradeaus, dahinter sofort spitz rechts zurück. Bei einer Ori würde man sagen: Dreieck hintenrum ausfahren. Diesmal ohne Baumaffen, aber mit kräftigem Zeitverlust zur Belohnung.

Auf einmal ist es wieder da. Als wenn das Auto festgehalten wird. Wie vorhin schon. Aber jetzt nochmal deutlich ausgeprägter und länger. Wir rollen noch gut, aber mehr auch nicht. Dann doch die erneute Selbstheilung. Versetzte Kreuzung geradeaus. Auf diesen Nachmittagsprüfungen haben heute früh die schnellen Klassen bereits Ihre Spuren hinterlassen. Anschließend reihen sich viele enge Abzweige aneinander. Weiter geht es bis zum Ziel. Aber der Rückstand bleibt lange erhalten. Wie es wohl an der Spitze ausgegangen ist?
Direkt am Ziel die Erklärung. Der bislang führende Opel Kadett steht am Streckenrand. Getriebeschaden wie wir später erfahren. Damit sollte der Gesamtsieg für Michael und Patrick sicher sein. Dem ist in der Tat so. Die Überfahrt des Podiums ist für jeden Ankömmling, oder besser Überlebenden, obligatorisch und eine Ehrung zugleich, unabhängig von der Platzierung.

Ein wahres Spektakel mit viel Publikum und medialer Präsenz. Gratulation an die Gesamtsieger. Frank und Alain sind noch auf das Podium vorgefahren. Und wir?
Jawoll, wir haben nicht nur die Top-10 halten können, wir sind letztendlich sogar noch auf Platz 8 (von 84) in der Gesamtwertung der Classic 65 gelandet !!

Bei 66 in Wertung angekommenen Teams. Schon eine enorme Ausfallquote. Achter bei DER Boucles! Das fühlt sich für uns gerade wie ein persönlicher Gesamtsieg an. Super gefahren, Rolf. Und an der Rechts-Links-Schwäche des Co wird gearbeitet.

Wenn uns am Freitag einer gefragt hätte….! Niemals. Und bei einer derartigen Favoritendichte wie hier und heute nochmals höher zu bewerten. Zumal auch das Favoritensterben bis zur letzten Sekunde anhielt und Wertungsentscheidend war. Aber wie immer: Hätte, Wäre und Wenn waren nicht am Start zugelassen. Und unser Auto läuft noch auch wenn es optisch schon wieder an einen schlechten Cappuccino erinnert. Wir sind ausgesprochen glücklich und zufrieden und lassen das Wochenende bei belgischen Pommes ausklingen. Ein wahrlich schönes und anstrengendes Wochenende in gut organisierter und freundschaftlicher Atmosphäre. Wir werden sicherlich zu Wiederholungstätern. „Du wolltest doch mal richtig Rallye fahren! Da haste es!“ Rolf, da hast du Recht. Und vielen Dank für dieses einzigartige Erlebnis. Man muss wirklich mal dabei gewesen sein um das hier in ganzer Fülle begreifen zu können. Zuschauen und Videos zeigen das auch schon eindrucksvoll. Aber aus der live-OnBoard-Perspektive mit Rumpel-Rutsch-Querdynamik ist das unbeschreiblich. Da soll mal einer kommen und uns als Schönwetter-Fahrer bezeichnen. Unsere Schuhe und Hosenbeine sind das beste Zeugnis! Das gibt Mecker daheim. Aber schön war’s!
Müssen wir eigentlich die paar Zentner reinen Belgischen Matsch am, im und unter dem Auto beim Grenzübertritt irgendwo anmelden? Ist eh schon dunkel, und es regnet immer noch.

Bis demnächst und alles Gute!
Fabian Mohr