„Wollen wir nicht mal nach Malle?“

Rally Clasico Mallorca 2020 / 12. bis 14. März 2020

„Wollen wir nicht mal nach Malle?“ So, oder so ähnlich haben die ersten gemeinsamen Gedanken von Rolf Droste und mir (Fabian Mohr) begonnen. Und nein, weder Ballermann noch Rennrad haben dabei eine weitere Rolle gespielt. „Da gibt es doch auch eine wunderbar sportliche Rallye. Jedes Jahr im Frühling. Mit recht hohen Schnitten auf sensationellen Strecken.“

Aufmerksame Leser unserer gemeinsamen Rallye-Abenteuer sind im Bilde darüber, dass wir beide seit einigen Jahren immer wieder gerne Neuland für uns in dem Rallye-Kosmos entdecken. Letztes Jahr die fantastische wie gleichermaßen legendäre Rallye Monte-Carlo Historique. Zwar hätten wir aufgrund unseres abrupten Ausfalls kurz vor dem Ziel in Monaco ausreichend Gründe für eine erneute Teilnahme an der „Historique“ gehabt, aber der Reiz gegenüber einer neuen und bisher für uns unbekannten Rallye war letztendlich doch größer. Hinzukommt, dass sich insbesondere der (Rallye-) Freundeskreis von Rolf seit einiger Zeit intensiv bemüht, den Schalksmühler Opel GT/E auf die balearische Insel zu locken. Dieses Jahr hat es geklappt. Und um eins vorweg zu nehmen: So unglaublich herzlich bin ich wohl noch nie von und in einem bis dahin unbekannten Team empfangen worden.
Die Truppe rund um Michael Eschmann, Fred Tiebe und co. haben uns den Einstand wirklich sehr angenehm gestaltet. Angefangen bei jederzeit nützlichen Hintergrundinfos über die Unterstützung bei Service-Arbeiten am Auto vor, während und nach der Rallye bis hin zum all-abendlichen Ausklang beim Abendessen und oder den Benzingesprächen an der Bar.

Das Auto durfte bereits ein paar Tage zuvor im Huckepack-LKW die Reise antreten. Da war der Kadett in guter Begleitung. Insgesamt folgten Ihm weitere 17 Rallye-Boliden verteilt auf 3 Sattelzügen aus dem Sauerland Richtung Malle. Die Besatzung (en) reiste(n) entspannt hinterher. Rolf samt Gattin flog bereits am Sonntag zuvor ein. Der Co ließ sich noch 2 Tage Zeit. Trotzdem hatten wir dann noch knapp 2 Tage bevor der Startschuss fällt. Wofür? Naja, ein bisschen Urlaubs-Feeling darf ja wohl erlaubt sein.
Gleich nach der Ankunft durfte der Co ein erstes Mal auf die Chauffeursdienste seines Kutschers vertrauen. Geräte im Mietflitzer montiert, Streckenbuch aufgeklappt und ab geht’s. Wir sind aber bei weitem nicht die Einzigen, die auf Erkundungstour sind. Und damit sind nicht die unzähligen und meist super gelaunten Radfahrer gemeint. Das Bordbuch sowie die einzelnen Wertungsprüfungen sind hier kein Geheimnis. Im Prinzip ist die Veranstaltung wie ein Baukasten aufgebaut, dessen Teile jedes Jahr neu zusammengestellt werden. Langweilig werden diese Prüfungen aber auch im 16. Jahr nicht, wie uns auch viele Teilnehmer aus der schnellen, der sog. „Race“ Kategorie erzählten. Die ersten Prüfungskilometer liegen zwischen Calvià und Esporles. Keine 20 Minuten nördlich vom Rallye-Zentrum in Portals Nous entfernt. Und das wiederum liegt nur einen Steinwurf westlich von Palma.
Diese ersten Meter machen schon verdammt viel Laune. Selbst vom Sitz nebendran aus betrachtet wird uns schnell klar, dass das hier nichts mit schnödem Gleichmäßigkeits-Rumgezuckel zu tun haben wird. Es ist ja nicht so, als wenn wir nicht gewarnt worden wären. Wir wollten es so, und jetzt haben wir es. Aber das alles lässt die Vorfreude auf die bevorstehenden Wettkampftage nur noch größer werden. Aber auf diesen äußerst kurvenreichen Strecken, die meist kaum breiter als ein neuer Golf sind, den Schnitt ordentlich einzuhalten wird kein Kindergeburtstag. „Ach ja, der Schnitt. Wie hoch ist der doch noch gleich in dieser Prüfung hier?“, fragt Rolf am Zielpunkt. „Ähm, 65!“, lautet die fast schon zierliche Antwort. „Ab der Hälfte gibt es dann einen Schnittwechsel runter auf 55!“ Die zweite Hälfte dieser Prüfung bestand eigentlich ausschließlich aus einem dichten Geflecht von sehr engen Wald-Sträßchen. Selbst ein 50er Schnitt wäre hier schon eine deftige
Ansage. „Das wird ein Spaß!“, wird es postwendend mit einem kurzen Lachen vom Fahrersitz aus quittiert. „Jup. Aber diese Prüfung kommt erst Samstag dran. Bis dahin werden wir uns und den Kadett schon eingefahren haben.
Weiter geht es über die nächsten Prüfungen. Unterwegs noch schnell ein paar flüchtige Bekanntschaften mit Muskelkraft betriebenen Zweiradfahrern geschlossen. Man kann schon fast glauben, dass der ausgestreckte Mittelfinger nach bester „Mr. Bean“-Vorlage hier als freundlicher Gruß gilt.

Zurück im Hotel. „Wir sind heute Abend beim Oberdörster eingeladen. Ein wirklich schöner Abend mit nahezu der gesamten deutschen Truppe. Super Stimmung und eine schöne Atmosphäre. So darf es gerne weitergehen. An der Stelle sei ein herzlich gemeintes Dankeschön an Stefan und Beate ausgesprochen.
Am nächsten Tag. Es ist Mittwoch. Wir lassen es ruhig angehen. Wir schauen uns noch die Prüfungen vom Freitag an, welche allesamt Richtung Norden raus liegen. Da geht es zunächst knapp 45min über die Autobahn. Die erste Prüfung ist die mit der von vielen Bildern bekannten Sprungkuppe. „Schnitt: 75. Wird auch zweimal gefahren. Eigentlich ziemlich geradeaus. Da werden alle gut im Schnitt sein. Da kommt es drauf an wirklich exakt drin zu sein!“, fängt der Co schon am frühen Morgen an festzustellen. Ein trockenes „Aha“ folgt umgehend. Weiter zur insgeheimen „Königsprüfung“ der gesamten Veranstaltung. „Sa Calobra“! Die Straße überwindet auf ihren 12,5 Kilometern Länge einen Höhenunterschied von 682 Metern. Die 14 Kilometer lange Serpentinenstrecke mit 12 Haarnadelkurven wurde von dem italienischen Ingenieur Antonio Paretti geplant und 1932 ausgeführt. Paretti wollte eine Beeinträchtigung der Berge wie auch die Anlage schroffer, steiler Kurven vermeiden. Fast von jeder Stelle der Straße sieht man vier Straßenbänder. Die Serpentinenstrecke bietet ein sanftes Gefälle bis zur auffälligsten Stelle, dem „Krawattenknoten“. Hier sah Paretti nur die Möglichkeit, die Straße mit einer 270°-Kurve um sich selbst kreisen zu lassen.
Besser als Wikipedia hätte es nicht auf den Punkt gebracht werden können. Nette Nebengeschichte: Auch heute früh wirbeln nicht nur wir an diesem spektakulären Ort etwas Staub auf. Der Miet-Golf vor uns ist allem Anschein auch nach nicht auf Sightseeing aus und lässt es ganz gut gehen. Wie sich für uns erst später herausstellen sollte handelte es sich hier um niemand geringeren als den ehemaligen britischen Rennfahrer John Sheldon. Mit über 73 Jahren hat der Le-Mans und Sebring-Teilnehmer der vergangenen Tage noch einen verdammt schweren Socken. Sein Wettbewerbsauto ist hier ein hübscher 72er Hundeknochen-Escort, der mit der charmanten Beifahrerin um die Wette glänzt. Der Rest des Tages ist eigentlich „frei“. Wir entschließen uns, den Kadett auf der Eichstrecke und uns im Cockpit einzurichten, bevor am Nachmittag die Abnahme direkt am Hafen von Portals Nous aufschließt. Auf dem Rückweg fahren wir spaßhalber noch eine der Samstags-Prüfungen ab. Kann ja nicht schaden, sich grade nochmal etwas einzufahren.
Apropos Einfahren! Wir müssen auf den ersten Kilometern bei Frühlingshaften Temperaturen mit großem Bedauern feststellen, dass die montierten Reifen (Rolf besteht darauf, dass an dieser Stelle erwähnt sei, dass es sich um ausgewiesene SPOOOORT-Reifen handelt) leider bereits bei geringem Lenkeinschlag das Rutschen anfangen. Um es mit Rolfs Worten zu beschreiben: „Das klingt ja wie bei einem US-Straßenkreuzer, der, wenn er eine Kurve sieht, sofort mit dem Reifenquietschen beginnt!“ Naja, also ganz so schlimm war es nicht.

Runter zum Hafen und ab zur Abnahme. Alles paletti! Was auch sonst?! Die unfassbar hilfsbereite Unterstützung vom Service-Team-Eschmann muss auch nochmals erwähnt werden. (hier versteht man bei weitem mehr war als nur Rallye-Schilder aufkleben und Wischwasser nachschauen, wobei auch das zur vollkommenen Zufriedenheit erledigt wurde)

Am Donnerstag geht es dann endlich los. Nachmittags, als die Fahrerbesprechung aufgrund eines von der Regierung ausgesprochenen Versammlungsverbotes dann in Form einer schriftlichen Mitteilung erfolgte, drückte sich allmählich die Tatsache in den Vordergrund, dass die Situation durch den umgreifenden Coronavirus beeinflusst wird.

Wir schlendern noch etwas durchs Fahrerlager. Eine einzigartige Kulisse. Am Hafen geparkte Rallye-Boliden, teils samt eigenem Service-Center und Crew. Wirklich viele Engländer sind am Start. Und die Porsche-Armada wird Gottseidank häufig durch Ford Escorts verschiedener Baureihen unterbrochen. Metro 6R4 oder Audi S1 sind erwartungsgemäß die Publikumsmagnete und Kameras-Lieblinge.
Ein lokales Damen-Team hat ihren Karmann Ghia mit Strass-Steinchen um die Scheinwerfer und pinkfarbenen Felgen entsprechend gekennzeichnet. Aufgrund des Baujahres fahren die sowie 13 weitere in einer zweiten Wertungsgruppe bei den Gleichmäßigen. Stets 5 km/h niedriger als in unserer Wertungsgruppe. Dass macht bei der ein oder anderen Prüfung bestimmt einen Unterschied. Als der Ladies-Ghia dann aber mit einem satten Sound vorbeirollt ist jedem drum herumstehenden klar, dass hier weit mehr als die serienmäßigen 50 PS drinstecken.

Es geht endlich los! Am Donnerstag Abend, um genau zu sein. Da der Start ab 19 Uhr erfolgt ist es schon stockduster. Ca 30 min Anfahrt zur ersten Wertungsprüfung. Alle Prüfungen finden auf eigens auf für die Rallye abgesperrten Strecken statt. Die Teilnehmer der Gleichmäßigkeits-Wertung werden von den „Schnellen“ gefolgt. Insgesamt 41 Teilnehmer in unserer Regularity- und 52 weitere in der Race-Wertung. „Es geht los, Rolf!“ „Ja, ja! Helm auf, Konzentration und tipp auf deinem Dings-Bums da bloß keinen Mist ein!“ Drei, Zwo, Eins, Los! Eine recht breite Straße schlängelt sich über 14 Kilometer an der Westküste entlang. Der Schnitt. 67 und ab ca. der Hälfte dann 70. Sollte machbar sein. Auch wenn ein paar fiese Kehren das Salz in der Suppe sind.
Am Ende der ersten Prüfung stehen die Jungs dann mit dem Service bereit. Rolf schmeißt ein paar Silben durch die Gegend. „Wie issen der Druck? Mach ma´ vonne zweieins uns hinnen zwei!“ „Ging bestimmt wieder um die Reifen“, frage ich nach. Ein dumpfes Grummeln schlägt mir entgegen. „Keks?“, frage ich.

Weiter zur nächsten Prüfung. Es sind nur noch wenige Minuten Zeit. Der Start ist aber gleich um die Ecke. Es ist für uns immer wieder erstaunlich, wie es manche Teilnehmer schaffen, mit weit entfernter Startnummer beharrlich und entspannt vor dem gelben Schild der Zeitkontrolle zu parken um die Idealzeit abzuwarten. Für die schmalen Straßen sind schließlich andere Verantwortlich….!
In der zweiten Nachtprüfung gibt es dann das komplette Kontrastprogramm. Sehr eng und teils extrem kurvig. Etwas über 6 Kilometer lang. Ab ca. der Hälfte wird von 45 auf 55 erhöht, damit es nicht zu eintönig wird. Auf der Übersichtskarte erkennen wir, dass es bis dahin wirklich eng sein wird, und das gleich ab dem Start am Ortsrand. Und die letzten 300 Meter vor dem Ziel sind auch mit ein paar Haarnadelkurven gespickt. Licht auf, Helm an, los geht’s! Der Lenkrad-Akrobat muss hier ordentlich liefern. Und tut es! Die Reifen singen ihr Liedchen von „Lass mich in Ruhe, du Gummi-Schänder!“ und der Beifahrer sein eigenes von „Wir sind zu langsam, noch iiiiiiiiiimmer!“ Durch die GPS-gestützte Messung erhalten wir jeweils wenige Minuten nach der Zieldurchfahrt die Ergebnisse der Messpunkte.
Die Erkenntnisse des Abends? „Gar nicht so übel, mein Freund! Wir sind Dritter in der Wertungsgruppe und Vierter im Gesamt. Wahnsinn. Super Leistung. Spitze!“ Wir kehren noch auf ein Bier auf dem Fußweg zurück ins Hotel ein. „Und die Ladies im Ghia liegen vorne!“, sage ich. „Ja, ja, in deren Wertungsgruppe, iss klar!“ „Ja, auch. Ich meine aber im Gesamt. Und die haben schon einen beachtlichen Vorsprung vor den zweitplatzierten, dem netten Pärchen auf dem etwas runtergekommenem und mit Rallye-Stickern zugepflastertem 11er Targa zwei Nummern hinter uns.“

An der Bar treffen wir dann die ganze Truppe. Wirklich eine lustige Truppe, mit der man eine Menge Spaß hat. „Fabi, jetzt stell dir mal vor wir hätten….!“ „Nein, keine Reifen-Geschichten mehr. Prost, Rolf!“ Es gibt noch das ein oder andere (Kinder)-Bier in netter Runde bevor es in’s Land der Rallye Träume geht.

Am nächsten Morgen geht es früh raus. Freundlicherweise arrangiert das Hotel das Frühstück für uns etwas früher als sonst. Das Hotel lässt wirklich keine Wünsche offen. Ein solch umfangreiches Buffet, egal ob morgens oder abends ist schon ein Traum. Das rundet das ganze Erlebnis extrem ab. Da fällt es überhaupt nicht auf, dass die Rallye eigentlich kein großartiges Rahmenprogramm bereitstellt. Auch ohne Virus-Einfluss sind mit Ausnahme der Siegerehrung am Samstag-Abend keine ausladenden Abendveranstaltungen oder Kuchenschlachten auf der Strecke vorgesehen.

Wir stehen kurz vor 9 Uhr an der ersten Wertungsprüfung des Tages. Die mit der Sprung-Kuppe. Es geht los! „75er Schnitt über 7,5 Kilometer. Fast alles geradeaus. Kurz vor dem Ende bei den Häusern geht es dann scharf rechts und zum Ziel. Da müssen wir schauen etwas Vorzeit rauszufahren!“ Am Ziel sind wir etwas enttäuscht, obwohl es ganz gut lief. Mit Ausnahme der schon befürchteten letzten Kurve. „Am Ziel waren wir dreieinhalb Sekunden zu langsam!“, sagt Rolf. „Das machen wir später beim zweiten Umlauf aber besser!“ „Geht klar, Meister. Da habe ich dir auch zu spät angesagt, dass die Kurve bereits naht! Sorry!“. Auf zur zweiten Prüfung. „12km Landstraße. Nach dreiviertel der Strecke erhöht sich der Schnitt von 65 auf 80. Bis dahin ist es mit einigen Haarnadel-Passagen recht machbar zu sein“. War es dann auch. Wir sind zufrieden und freuen uns über weiterhin sehr gute Platzierungen. Auf den Verbindungsstücken zwischen den Prüfungen zieht bei uns der altbekannte Blödsinn ein. Am Rand parkende Kontrahenten werden genauso kommentiert wie bergauf-schnaubende Radler oder schleichende Fiat-Panda-Omis.
Es folgen die beiden Prüfungen in einer Wiederholungsrunde.
Nun jeweils mit einem km/h schneller als im ersten Durchgang. In der Sprung-Kuppen-Prüfung kann der Co sein Versprechen einhalten und klärt früher über die nahende Kurve kurz vor Ende auf, in der die hinter uns startenden „Schnellen“ bemerkenswerte Markierungen hinterlassen haben.

13 Uhr. Sa Calobra. Mittagspause. Im Restaurant direkt an der Bucht gibt es lokale Spezialitäten. Der Re-Start verzögert sich unbekannterweise. Es ist mittlerweile weit nach 16 Uhr, bevor es wieder los geht. Noch in der Aufstellung lauschen wir unfreiwillig einigen Benzingesprächen. Die Rallye soll heute Abend aufgrund der immer strenger werdenden Beschränkungen durch die Pandemie abgebrochen werden. Die Rallye Costa Brava sollte auch dieses Wochenende stattfinden und ist bereits vor dem Start abgesagt worden. Wir geben zwar nicht allzu viel auf Gerüchte, aber es scheint sich nun doch zu verdichten. „Konzentration! Es geht wieder los!“ Vor lauter gegrübel hätten wir fast vergessen uns zu behelmen. Aber eben nur fast! Rolf schmeißt fast gebetsmühlenartig ein letztes Mal ein: „Wenn wir, also die SPOOORT-Reifen, das hier überstehen, dann ist alles gut.“ Und ab geht’s! Knapp 12 Kilometer. 3 Schnitte, alle über 50. Und im Serpentinen-Mittelstück eine elendige kurbelei. Im Krawattenknoten von vielen Zuschauern angefeuert sind wir wieder gut drin, nachdem wir teilweise „viiiiiiel zu langsam waren“. Rolf leistet großartige Arbeit und treibt den Kadett quietschend von Kurve zu Kurve. Sein Motto: „Bloß den Schwung nicht verlieren!“
Am Ziel noch kurz den Servicepunkt aufgesucht. „Ist alles gut gegangen?“ „Jup, alles top. Wir haben jetzt noch eine Prüfung. Wie läuft es bei den anderen?“ „Oberdörster liegt gut auf dem Zweiten, Heiko Becker und co dahinter auf 3.“ Wir stehen am Start der T08. Alle müssen etwas warten. Wir kommen mit einigen ins Gespräch. „Also heute Abend ist definitiv Schluss. Hat uns eben vor dem Start der Fahrtleiter selbst gesagt!“, heißt es. Okay, schade. Aber wenigstens konnten wir bis hierher fahren. Eine super Erfahrung.
Startnummer 14, die spanische Besatzung des allem Anschein nach nur für sowas hier aufgebautem BMW 2002 tii kommt lässig linksseitig vorbeigeschländert. „Der Abstand zu den beiden war vor Sa Calobra nicht wirklich dicke, Rolf!“ „Hmm“ Wir versuchen mit Händen und Füssen in eine Art Konversation mit den beiden lustigen Spaniern zu kommen. „Sa Calobra? Mui bien?“, fragen wir nach.
Der schlaksige Fahrer quittiert es nur mit einem breiten Grinsen und einem abwinkenden Händeflattern. Er fängt an, mit uns konsequent auf Spanisch zu sprechen. Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen unserer hilflosen Gesichtsausdrücke hört er partout auch nicht damit auf. Eine wirklich freundliche Situation. Es fällt uns jedoch schwer zu glauben, dass er uns allem Anschein nach klar machen will, dass es bei ihnen nicht so gut gelaufen ist. Kurze Zeit später folgt die Gewissheit. „Der hat uns in Sa Calobra über 5,5 Sekunden eingeschenkt und liegt somit in der Gesamtwertung knapp 2,5 Sekunden vor uns auf Platz 3. Wir geben jetzt nochmal alles. Falls es wirklich stimmen sollte, dass wir morgen nicht weiterfahren ist das unsere letzte Chance aufs Treppchen!“
Auf geht’s. 12km Landstraße mit einem 70er Schnitt. Gut zu fahren. Ein paar engere Abschnitte und zwischendrin ein Tunnel. Nach knapp der Hälfte stimmt etwas nicht. Nein, diesmal hat es ausnahmsweise nichts mit den SPOOORT-Reifen zu tun. Die Beifahrer Ausrüstung hat den Geist aufgegeben bzw. zeigt nur noch Müll an. Große Augen im Cockpit und Wurstsalat im Hirn des Co. „Was ist hier denn los? Verdammt! Ähm! Also! Naja!“ Zum Glück läuft die Reserve immer mit. Bis zum Ende wird also konventionell weitergefahren. Ein letztes Mal für heute heißt es „Ziel voraus!“. „Das haben wir hoffentlich noch gut retten können?!“

Es geht mit etwas bedrückten Mienen zurück in den Hafen zum Etappen-Ziel. Es ist 18 Uhr. Auf dem Weg dahin verrät uns ein Blick auf die Zwischenzeiten die bittere Wahrheit. „7,0 Sekunden haben wir in der letzten Prüfungen eingefahren. Verhältnismäßig viel. Aber was ist das?“, kreischt der Beifahrer. „Die Spanier haben sich hier weit über 14 Sekunden reingehauen. Da muss irgendwas vollkommen schief gelaufen sein. Wir sind wieder dritter. DRIIIIITTER. PODIUM. Yeah, unfassbar!“ In diesem Glücks-Moment kann all der Frust über die tollen Reifen vergessen werden. Wir sind dritter im Gesamt. Ein absolutes Wahnsinns Ergebnis. Und das bei der allerersten Teilnahme.

Im Hafen gibt es dann eine Siegerehrung im kleinen Rahmen. Kein Publikum, kein großes Tam-Tam. Brauchen wir auch nicht. Wir feiern für uns! Nebenbei wird uns erklärt, dass tatsächlich hier und heute das Ende der Veranstaltung besiegelt ist. Eigentlich sehr, sehr schade. Die 6 Samstags-Prüfungen wären nochmal deutlich anspruchsvoller, weil enger und kurvenreicher, gewesen. Aber das tut der Sache keinen allzu großen Abbruch. Die Ladies im Strass-Ghia haben mit meilenweitem Vorsprung gewonnen. „Die haben weniger als halb so viele Strafpunkte wie wir, Rolf. Und wir haben mit einer durchschnittlichen Abweichung von 0,6 Sekunden auf 83 Messpunkten nicht wirklich Grund für Selbstkritik.

In aller Hektik werden noch die Auto auf die LKW verladen, da die Fahrer so schnell wie möglich von der Insel wollen.
Bei originaler Paella in Strandnähe lassen wir den Abend und die Veranstaltung ausklingen. Den freien Samstag nutzen wir für etwas Sightseeing. Rolf und Silvi sind einwandfreie Fremdenführer. Allerdings mischt sich zunehmend Unwohlsein in die Stimmung aller. In den lokalen Medien wird bereits von abgeriegelten Städten und geschlossenen Grenzen berichtet. Wir buchen noch schnell einen vorgezogenen Rückflug für die beiden. Dienstag statt wie geplant am Donnerstag. Der Mohr macht sich wie geplant am Sonntag früh auf den Weg zurück. Kurz darauf wird die Situation zunehmend angespannter. Es wird eine Ausgangsbeschränkung für das ganze Land verhängt. Die Rückreise verläuft aber ohne größere Probleme.

Wir sind alle gesund und munter zurück in Deutschland, bevor es kurz darauf ins Home-Office geht.
Abschließend können wir diese Rallye nur jedem Interessierten ans Herz legen. Ob in der wirklich sehr sportlich ausgelegten Gleichmäßigkeits- oder der auf diesen Strecken wahrlich anspruchsvollen Race-Wertung. Hier kommt jeder auf seine Kosten. Und wir beide allemal. Neuland im Rallye-Kosmos entdeckt? Das ist uns diesmal wieder mit Bravur gelungen. Das tolle Konzept, eine sonnige Stimmung und nette Leute Drumherum lassen diese Veranstaltung wahrlich einzigartig werden. Wir müssen mit Erschrecken feststellen, dass sich unser eigener Maßstab für eine vollkommene Gleichmäßigkeits-Rallye permanent nach oben verschiebt.
Und es gibt noch einige auf unserer to-do-Liste. Gehen wir es an, lieber Rolf. Vielen Dank für dieses neue Erlebnis mit dem süßen Charakter eines Kurzurlaubes, bei dem der Spaß wieder einmal nicht zu kurz kam.

Wer noch etwas Geschmack auf ein paar Impressionen hat schaut bestenfalls mal hier nach:

https://www.rallyislamallorca.com/fotos_videos.php?Cod_not=136