Die OBI-Jahre Teil 2

Wir schreiben das Jahr 2022, einige Motorsportveranstaltungen haben im Spätsommer und im Herbst letzten Jahres noch stattgefunden, aber jetzt hat Corona uns wieder voll im Griff. Auf der Webseite der RG Oberberg werden Veranstaltungsberichte und solche über stattgefundene Siegerehrungen wieder seltener. Noch ein paar Wochen, und es gibt nichts neues mehr zu berichten, die motorsportarme Zeit hat wieder begonnen. Zeit, dass ich wieder meine Berichte über frühere Zeiten weiterführe, dem Hörensagen nach warten tatsächlich einige Motorsportler auf eine Fortführung. Wer die Geschichten von Anfang 2021 noch mal nachlesen möchte, werfe bitte einen Blick an das Ende des Textes!

Unser damaliger Club, der AC Solingen, hatte seinerzeit den Ehrgeiz, weit und breit die besten Orientierungsfahrten zu veranstalten. Wir waren schon recht weit oben, es sollte aber alles noch besser werden. Es musste eine Fahrt her, von der man noch Jahre später sprach und welche uns für mindestens ein Jahrzehnt eine Starterzahl von weit über einhundert Teilnehmern bescheren sollte. Geplant waren acht Etappen, obwohl von der ONS für B1-Veranstaltungen (das waren Rallyes oder gemischte Fahrten aus WPs und Orietappen) maximal sechs Etappen vorgesehen und erlaubt waren. Wir wollten aber mehr. Es sollten drei Orientierungsetappen und fünf Bestzeitprüfungen werden. Als Fahrtunterlage gab es ein 16 seitiges Bordbuch im ACS-typischen blau-rot-Druck, dieses Bordbuch hat uns allein damals schon fast 900 Mark gekostet. Die Fahrt sollte im Winter im Rheinisch – Bergischen – Kreis stattfinden. Startort war Leichlingen in der Balker Aue, die erste WP war „an der Pette“, auf gut deutsch im Leichlinger Ortsteil „Trompete“. Dort wo jetzt der große Edekaladen ist, gab es damals einen langen, schmalen Schotterplatz, welcher dem Leichlinger Schützenverein gehörte und uns als WP zur Verfügung gestellt wurde. Weiter ging es mit einer Orientierungsetappe nach Leverkusen. Dort gab es am Willy-Brand-Ring ein großes sandiges Gelände an der „16“, das war ein Baggersee mit einer Tiefe von 16 Metern, daher wohl der Name. Nach abermaliger Orietappe fuhren wir weiter zum Märchenwald Parkplatz in Altenberg nahe dem Dom. Dieser große Asphaltparkplatz war total vereist, mittels Drängelgittern und Flatterband war eine großzügige Strecke abgeflattert. Ich als Vorwagenfahrer war als einer der Ersten mit meinem Fiat auf der Eisfläche und habe total versagt, ich war froh, nicht unter den Augen der anderen Teilnehmer Schau fahren zu müssen!

Hier war Halbzeit der Fahrt, es gab eine große Pause. Deshalb wurde diese WP von zahlreichen Zuschauern beäugt, denn nach Absolvierung der WP bekam jeder Teilnehmer kostenlos von uns eine heiße Bockwurst serviert, wenn der Hunger noch nicht gestillt war, bekam man für 50 Pfennig Nachschlag. Zum Zeitvertreib konnte man die Konkurrenz beim Eisdriften begutachten.

Eine weitere Wertungsprüfung gab es in Paffrath auf einem Schotterstreifen der Straßen NRW, welcher früher schon einmal von uns benutzt wurde, eine recht harte Strecke. Die letzte Orietappe führte bis zur Kreisgrenze Solingens, von wo aus es als Letztes zum großen Schotterparkplatz bei der Müngstener Brücke gefahren wurde. Dieser Platz war damals sehr uneben und mit viel Gesträuch bewachsen. Es sollte unsere beste und interessanteste WP werden.

Die Betonung lag auf „sollte“, denn so weit kam es nicht. Zu damaliger Zeit wurde zu solchen Veranstaltungen von der ONS immer ein Schiedsrichter abgeordert, welcher bei Streitfragen (gegen eine kleine Gebühr von 50 Mark!) entschied und auch die Fahrt als solche überwachte und darüber Buch führen musste. Es waren also nicht wie in heutigen Zeiten im Orisport üblich selbstgewählte Teilnehmer als Schiedsrichter. Wir hatten für unsere Fahrt uns selbst einen Schiedsmann ausgesucht, was durchaus möglich war. Wir nahmen den mir auch persönlich bekannten und geschätzten Bernd aus Leichlingen, welcher auch pünktlich am Start zu gegen war. Dort empfing er die Fahrtunterlagen und schaute schon mal durch. Nach wenigen Minuten stand er wieder bei mir und erklärte mir, dass die ONS maximal 6 Abschnitte toleriert und keine acht. Ich müsse mich von deren zwei trennen oder die Fahrt fände nicht statt. Wenn auf der siebten oder achten WP ein Unfall mit Personenschaden vorkäme, müsse er sich erklären und hätte die Arschkarte, weil dies in seinen Verantwortungsbereich fiele. Ich wollte nicht alleine entscheiden und besprach mich mit unserem ersten Vorsitzenden Günter Stader. Er fiel genauso wie ich aus allen Wolken und wollte dies keinesfalls akzeptieren. Schiedsrichter Bernd saß noch in seinem Auto und wartete auf unseren Entscheid, ich schickte unseren Präses dorthin. Der Dialog (oder eher ein Monolog) sah folgendermaßen aus: Bernd redete intensiv ca. zwei Minuten, Günter nickte intensiv ca. zwei Minuten. Dann kam er mit hängendem Kopf zurück und meinte, wir müssten 2 Etappen rausnehmen. Die Orietappen sollten drinbleiben, die erste und die letzte WP flogen raus. Unser Personal der ersten und letzten WP waren natürlich enttäuscht, in frühen Morgenstunden schon mit dem Aufbau angefangen und dann soll alles umsonst gewesen sein?

In der Planungszeit dieser Veranstaltung stand fest, dass dies eine besondere Fahrt werden sollte und dass, um die genannten Ziele zu erreichen, Kosten keine Rolle spielen sollten. Gewinn war nicht geplant, plus minus Null war das Ziel. Dies hatten wir auch erreicht. Es wurde im Vorfeld sogar darüber im Club abgestimmt und einstimmig beschlossen. Jetzt – zwei Wochen nach der Fahrt – wurde ein Misstrauensantrag gegen den Vorstand gestellt, in erster Linie von den Leuten, deren WP nicht befahren wurde. Der ACS war ein „Haufen“ aus Orifahrern, Rallyefahrern, Slalom – und Rundstreckentretern, das Misstrauen kam natürlich NICHT aus der Ori-Ecke. Da wir in der Überzahl waren, kam der Antrag aber auch nicht durch. Das Ziel der Fahrt, für lange Zeit volles (Starter-) Haus zu haben, wurde dann leider doch nicht erreicht, weil der ACS sich wenige Jahre danach auflöste, unter anderem auch ein „Erfolg“ dieses Misstrauensantrags.

Anfang der 80er Jahre ergab es sich, dass ich beim Team Wichern Bochum als Zuschauer bei deren Rallye im Ruhrpark Bochum dabei sein durfte. Dort gab es einige große Parkplätze, von denen einer – durch unzählige Fahrspuren unterteilt – im Zickzack-Kurs bei dieser Rallye befahren wurde. Diese Fahrspuren wurden durch hohe Bordsteinkanten eingegrenzt, welche damals einige Felgen oder Achsen ruiniert haben, sogar ein Überschlag war dabei. Vervollständigt wurde dieser Rundkurs durch eine große Runde durch die Bochumer Felder (auch die gibt es dort), welcher drei- oder viermal befahren wurde. Diese Strecke wurde als Orientierungsetappe deklariert und war rund zwanzig Kilometer lang, WPs durften nämlich damals nicht länger als 5 Kilometer sein. Um diese Orietappe für die Genehmigungsbehörde glaubhaft erscheinen zu lassen, gab es an der schnellsten Stelle auch einen Stempelposten. Viermal kam man dort vorbei, beim Zusammenbremsen des Rallyeautos hielt der Copilot die Bordkarte von außen auf die Frontscheibe und hoffte, dass der Stempelposten auch die Bordkarte traf und nicht die Frontscheibe oder gar die Hand des Beifahrers, der Stempel auf der Hand zählte nämlich nicht! Die Anzahl der Stempelabdrücke gab darüber Auskunft, wie oft man da war, dabei war es zweitrangig, wo auf der Karte sich der Abdruck befand, Hauptsache drauf. Die Sollzeit war natürlich so bemessen, dass keiner diese Zeit schaffen konnte, derjenige, der sie am wenigsten überschritt, hatte gewonnen. Damals – ich befand mich als Zuschauer dort, wo was kaputt gehen konnte, also bei den Bordsteinkanten – fiel mir ein super vorbereiteter Polo auf, es war wohl einer der Herren Pestel vom AC Oelde, welcher mit diesem kleinen Fahrzeug bestens unterwegs war. Der VW war hier offensichtlich einer der schnellsten und kam der Bestzeit auf diesem Parkplatzgelände wohl ziemlich nahe. Von nun an reifte bei mir der Entschluss, auch einen kleinen Fronttriebler haben zu wollen, ein großes Auto mochte ich nicht mehr.

Bei einer Rheinlandpokalveranstaltung damaliger Jahre bekam Jürgen Schräpler vom MSC Paffrath mit, dass ich einen kleinen Fronttriebler suchte. Er hatte gerade einen Autobianchi 112, den er loswerden wollte. Es war einer der selteneren Abarth mit 70 PS, welcher schon mit einem Alu-Überrollkäfig ausgestattet war. Wir wurden schnell handelseinig und bei der 25. Orientierungsfahrt des MSC Heiligenhaus waren Karola und ich mit dem neuen Fahrzeug am Start. Mit vier Zusatzscheinwerfern gut ausgestattet sah er schon wie ein richtiges erwachsenes Rallyeauto aus.

Karola und ich mit dem neuen Fahrzeug bei der 25. Heiligenhauser Orientierungsfahrt bei unserem ersten Einsatz.

Pünktlich zum Beginn der neuen Saison wurde das neue kleine Rallyefahrzeug eingesetzt, mit dem wir uns bei Rallyes bessere Klassenplatzierungen erhofften als mit dem Fiat 124. Dieser fiel auch zusehends dem Rostfraß zum Opfer und wurde wieder zum Privatwagen „degradiert“. Peter Maresch (jawohl, das war der, welcher uns im letzten Bericht den sch… Unterbodenschutz gebaut hatte), bot sich für den Bau eines neuen Schutzes an. Bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Deutschen Bundesbahn, die damals noch keine AG war, gab es wunderbare Aluplatten in allen Stärken. Man unterschied dort in weiche, mittelharte, harte und ganz harte Platten, wir entschieden uns für die letzteren. Ausgestattet mit einem sogenannten Schrottschein konnte Peter die maßgefertigte Platte samt Unterkonstruktion durch den Pförtner bringen. Es war eine sehr gute Wahl, selbst bei einem späteren Unfall behielt der Schutz im Gegensatz zum Auto seine Form, es gab nicht die geringsten Verbiegungen.

Auch bei unserem neuen Fahrzeug durften wir wieder OBI-Werbung fahren, unser Vertrag wurde über den Winter um ein Jahr verlängert, aber auch weiterhin mussten wir der Firma für Werbezwecke zur Verfügung stehen. Im Jahre 1982 fand in Köln ein Radrennen statt, bei dem einer der Hauptsponsoren die Firma OBI war. Ich wurde als Vorwagen für das Rennen verpflichtet und durfte vor dem Hauptfeld über die Strecke fahren, in den Rennpausen wurde unser Auto dann zum Alleinunterhalter. Die OBI-Leute waren allerdings sichtlich enttäuscht, das anstatt des recht großen Fiat wir jetzt mit einem winzigen Autobianchi antraten. Immerhin durfte ich dann doch den ganzen Samstag Werbung fahren und wurde dafür auch recht gut entlohnt.

Der neue OBI Bianchi vor unserer Haustür mit dem von Karola selbstgetöpfertem Namensschild am Haus. Der A 112 zeigt schon erste Einsatzspuren.

Zu dieser Zeit gab es im Westfälischen eine neue Ori- und Rallyezeitschrift, die CSR, ausgeschrieben: Clubsport regional. Es war ein Privatmann, der sie damals im eigenen Verlag herausbrachte, seinen Namen weiß ich aber leider nicht mehr. Einige Jahre habe ich für diese auch geschrieben, sowohl Ori – und Rallyeberichte als auch Tests über Reifenund anderes nützliches Zubehör. Dies habe ich auch für persönliche Kontakte genutzt,auch schon zu den Zeiten, als ich noch den Fiat 124 Coupe fuhr.

Die Firma Sportreifen Immler in Immenstadt wurde angeschrieben mit der Bitte, mir zu Testzwecken einen Satz Reifen zukommen zu lassen. Immler bot ausschließlich runderneuerte Reifen an mit selbst kreiertem Profil, der Unterbau der Reifen waren handelsübliche, ordinäre Gürtelreifen. Für den Fiat erbat ich mir einen Satz grobstollige Schotterreifen aus, welche man wirklich nur auf Schotter fahren konnte, die Gummimischung und das Profil taugten nichts für Asphaltstrecken. Deshalb besorgte ich mir diese auch in der schmalstmöglichen Ausführung, für das Fiat Coupe war dies die Größe 165/70-13.  Als Gegenstück für Asphaltstrecken hatte Immler einen profillosen Slick, dem je nach Reifenbreite von ihm 3, 4 oder 5 Längsrillen eingeschnitten wurden. Über beide Reifen wurde ein Testbericht in der CSR verfasst, anschließend gehörten die Reifen mir. So kam ich reifenmäßig gut über die Saison.

Durch meine Berichte wurden auch andere Rallyefahrer neugierig, so zum Beispiel „Ivan auf dem Dach“ (der Name war Programm), mit bürgerlichem Namen Reiner Ivackov. Er gehörte der damals recht bekannten Gruppe der wilden, rallyefahrenden Remscheider Jugend um Stefan Schlesack, Jörg Kemper, Fritz Henke, um nur einige zu nennen an, damals alle so um die Mitte zwanzig, der eine war wilder als der andere. „Ivan“ fuhr einen ex – Steinberg – Ascona (Steinberg war damals auch eine Rallyegröße im bergischen Raum), vormals soll es ein ex – Röhrl – Auto gewesen sein, jedenfalls die Papiere sagten das aus.

Für dieses Auto bestellte sich Reiner Ivackov ganz grobstollige Immlerreifen aus dem Katalog (Internet gab es noch nicht), bei denen sich die Lauffläche bis auf die Seitenflanken zog. Sie waren das absolute Muss auf total schlammigen Strecken, aber nur dort! Reiner nannte sie nur noch die „Schweinereifen“.

Diese wollte ich auch haben! Durch meine Kontakte zu Immler erbat ich mir diese auch für einen Testbericht, ich erzählte Herrn Immler von Reiners sehr guten Erfahrungen im tiefen Schlamm. Immler fiel aus allen Wolken, er wollte Ivackov sofort die Reifen im Straßenverkehr verbieten, er gäbe keinerlei Garantien ab für sie! Es wären nämlich keine Rallye – Schlamm und Schotterreifen, sondern seien ausschließlich gedacht für landwirtschaftliche Fahrzeuge, im Besonderen für Anhänger wie Miststreuer oder ähnliches und dürften nicht schneller als 25 km/h fahren. Also gab es nichts mit einem Satz Schweinereifen für meinen Fiat. Nichtsdestotrotz hat Ivan viele Bestzeiten auf schlechtesten Strecken mit diesen Reifen erfahren. Übrigens gibt es die Firma Immler immer noch, nachschauen im Netz ist gar nicht so uninteressant, ähnliche Reifen wie wir fuhren gibt es immer noch.

Aber jetzt fuhren wir ja einen Autobiachi. Bei größeren Rallyes sah ich recht breite Pirelli-Sportreifen mit sehr harten Karkassen und Slickprofil, in welche von der Pirelli Sportabteilung Längs- und Querrillen eingefräst wurden, in einer sehr harten Schottermischung. Dies wurden von den Werksfahrern zur Hälfte oder manchmal auch weniger abgefahren und waren dann „Schrott“, kein Werksfahrer mochte die noch fahren. Neugierig geworden, was mit den manchmal noch recht guten Reifen gemacht wurde, rief ich bei Pirelli Deutschland an und ließ mich mit dem Motorsportchef verbinden. Er sagte mir, dass er feste Abnehmer im Clubsportbereich hätte und alle Reifen schon vergeben wären. Nach meiner Reifenbreite gefragt, sagte ich ihm, dass ich 155/70-13 fahren würde. „Oh, sie haben Glück, keiner meiner Rallyefahrer braucht diese kleine Reifengröße und ich habe noch einige Sätze da. Für fünfzig Mark je Reifen gehören sie Ihnen“. Ein Supersonderangebot, die vorhandenen zwei Sätze nahm ich sofort. Die Reifen wurden mit der Spedition gebracht und hatten noch 80 bis 90% Profil und waren nur zu Testzwecken gelaufen.

Für meinen Bianchi hatte ich einige neue Sätze Felgen 5×13“ gekauft, welche eigentlich für einen Fiat 125 gedacht waren und von meinem damaligen Händler des Vertrauens „Fiat Eul“ in Solingen für kleines Geld abgegeben wurden, weil sie bei der Lagerräumung überzählig waren. Diese älteren Felgen waren für Reifen mit Schlauch gedacht und sahen auf dem Bianchi top aus, weil sie breiter als die original Autobianchi Felgen waren und gut mit der Karosse abschlossen. Beim TÜV gab es keine Probleme, weil dort keiner so genau wusste, welche Felgen zu diesem Auto gehörten. Die Pirellireifen, die dort drauf sollten, waren aber schlauchlos. Paul Merten, mein damaliger (und einziger) Reifenmonteur bei Eurasia Import/Export war wenig amüsiert von dieser Felgen-Reifenkombination, weil es bei diesen harten Reifenflanken des Pirelli Sport fast unmöglich war, die Schläuche noch in die Reifen zu bekommen. Er bräche sich fast die Finger, wenn er diese montieren müsse, sagte er mir und verfluchte meine Drecksidee, unbedingt diese Kombination fahren zu wollen.

Der Winter nahte. Damals gab es manchmal noch Schnee, zumindest an diesem Februarwochenende, an dem beim AC Mülheim/Ruhr eine Rallye mit weit über 150 Teilnehmern angesagt war. Der Schnee fiel reichlich, für meine Sommerreifen war dies eindeutig zu viel. Aber ich hatte ja meine Allround/Schotter Pirellis, die wurden abends schnell montiert. Meinem Wohnhaus gegenüber gab und gibt es immer noch einen schönen Waldrundweg, von uns die „Hunderunde“ genannt, weil wir damals dort regelmäßig mit unserem fünfundachtzig Kilo schweren Bernhardiner spazieren gingen.

Unser Bernhardiner auf der „Hunderunde“. Dort wo der Weg rechts an der Baumreihe vorbei verschwindet, ist die Steigung aus dem Text, wo der Autobianchi nicht hochkam. Der kleine Junge ist übrigens nicht Adrian, sondern sein älterer Bruder Urs, mit dem ich auch ein paar Mal Oris gefahren bin.

Für Testzwecke hatte dieser Rundweg schon oft herhalten müssen, er war etwa zwei Kilometer lang und wies neben einigen Kurven auch mehrere Steigungs- und Gefällestrecken auf. Heute – es war 3 Tage vor der Rallye – war er auch gut zugeschneit. Bergab lief alles gut, nur die Seitenführung war nicht so toll. Die zurückführende leichte Steigung schafften die Pirellis aber überhaupt nicht, ich hätte nie gedacht, dass eine falsche – weil harte – Gummimischung so viel ausmacht. Zweihundert Meter oberhalb dieser Stelle, wo ich nicht mehr weiterkam, gab es ein größeres städtisches Haus, in dem auch einige finanziell nicht gutbetuchte deutsche Landsleute wohnten. Diese hatten im Dunkeln meine herumirrenden Scheinwerfer gesehen und waren plötzlich da, um meinen Bianchi wieder auf befahrbare Strecken zu schieben. Da ich die meisten von ihnen kannte, vereinbarten wir, die freundliche selbstlose Hilfe in der Eiseskälte mit einigen Flaschen Hochprozentigem zu versüßen, am nächsten Abend wurde dieses Pfand eingelöst. Zwei Tage vor der Rallye beschloss ich, „richtige“ Winterreifen zu kaufen. Ich hatte sowas noch nie, wenn es glatt war, bleib ich zuhause oder fuhr auf Sommerreifen (damals ging das noch, die waren alle schmal, 185/70 war das breiteste, was ich zu der Zeit jemals gefahren bin).

Da ich bei der Schneerallye gut abschneiden wollte, sollte auch geklotzt und nicht gekleckert werden, heißt also, die schmalst möglichen Reifen zu fahren, in meinem Fall die Größe 135/13, kaum breiter als ein Schubkarrenreifen. Bei Eurasia empfahl man mir Reifen aus der DDR, die waren billig und hießen anstatt Conti, Dunlop, Pirelli oder so ähnlich „Autobahn“. Meinen zarten Einspruch, ich wolle doch nicht auf Schnellstraßen, sondern auf Schotterwegen fahren, wimmelte man ab und ließ ihn nicht gelten. Mein damaliger Clubkamerad Jörg Kemper kannte diese Reifen, sämtliche seiner Firmenwagen waren damit bestückt. Er wusste nur Bestes zu berichten, im höher gelegenen Remscheid, wo er arbeitete, waren Winterreifen ein Muss.

Nachdem ich diese zuhause aufmontiert hatte, ging es direkt wieder auf die „Hunderunde“. Wahrscheinlich holten meine trinkfesten Freunde schon mal prophylaktisch ihre Schnapsgläser raus. Aber jetzt ahnte ich, warum sie „Autobahn“ hießen, zwischen dem Vortrieb der Sportpirellis und den schmalen Winterreifen gab es einen Unterschied, den ich nicht für möglich gehalten hätte. Das Auto ging ab wie Schmitz Katze, als wenn gar kein Schnee da wäre, wie auf schönem, glattem Schotter!

Bei der Schneerallye in Mülheim lief alles Bestens, auch wenn wir, das war meine Wenigkeit und mein damaliger Beifahrer Franz Müller, genannt „Jupp“, zunächst gar nicht sooo glücklich waren. Auf der zweiten WP, die um eine riesige Lagerhalle führte, welche wir mehrmals umrunden mussten, war die Idealstrecke total vereist, weil die Teilnehmer vor uns quer um die Halle drifteten. Sah gut aus, war aber nicht wirklich schnell, man konnte das bei den Startern direkt vor uns gut einsehen. Parallel zur Halle eng dran vorbei war der Schnee aber noch jungfräulich, total unbenutzt. Diesen Umstand machten wir uns zu Nutze. Mit Vollgas parallel der Halle geradeaus, an den Enden der Halle mit der Handbremse rum, dann wieder 100 oder 200 Meter Vollgas usw. Klappte alles wie gedacht, eine Superzeit gefahren, glaubten wir. Beim anschließenden Blick in unser Bordbuch wurden unsere Gesichter lang und länger. Es gab nämlich Max-Zeiten, welche im Bordbuch festgelegt waren. Diese wurden bei trockener Strecke ermittelt, was wir aber da noch nicht wussten. Wir waren nämlich nur unwesentlich schneller als die jeweiligen Richtzeiten, so um die 15 Sekunden an dieser rund 3 Kilometer langen WP. Bei der Wartezeit vor der nächsten Sonderprüfung kamen wir mit anderen Teilnehmern ins Gespräch, die aber alle diese Zeiten nicht annähernd geschafft hatten. Es warteten ca zwanzig Autos an der nächsten WP. Mit großem Gejohle wurden wir weitergereicht, „Hier sind welche, die die Maxzeiten unterboten haben“! Unser Dank galt den schmalen Autobahnreifen! Wenn ich mich recht entsinne, waren wir unter den ersten fünfzehn Teilnehmern im Gesamt und waren die Besten ohne Schneeketten!

Wir fuhren aber nicht nur Rallyes, auch weiterhin galt unser Hauptaugenmerk dem Orifahren. Darüber schreibe ich dann wieder im nächsten Bericht „Die OBI-Jahre Teil 3“.

Habe die Ehre!

Rainer

 

Titelbild: Anfang der 80er wurde Karola mehrmals beste Dame im ADAC, hier 1982. Damals wurde man noch von der ADAC Prominenz gratuliert!

Alle Berichte im Überblick:
-Nr. 1 – Die motorsportarme Zeit…

-Nr. 2 – Rainers Geschichtsstunde – Teil 2: Die späten 70er Jahre

-Nr. 3 – The Trip of the 5 sections

-Nr. 4 – Geschichten über uns & andere Motorsportbegeisterte

-Nr. 5 – Endlich deutscher Meister!

-Nr. 6 – Die OBI-Jahre Teil 1